STADTENTWICKLUNG Im Severinsviertel soll Kölns erste Immobilien- und Standortgemeinschaft entstehen – Blaupause für andere Viertel
Bericht im Kölner Stadtanzeiger vom 27.03.2017 von Tim Attenberger. Fotos: Max Grönert
VON TIM ATTENBERGER
Beim Gang über die Severinstraße fällt schnell auf, dass die Wunden des Stadtarchiv-Einsturzes vor acht Jahren längst noch nicht ver- heilt sind. Wer sich die Nägel lackieren lassen will, findet gleich mehrere Anlaufstellen. Einzelhändler mit einem interessanten Nischenangebot, wie es sie etwa in Ehrenfeld und im Belgischen Viertel zahlreich gibt, sind hingegen rar gesät. Einige Ladenlokale stehen gleich ganz leer, an manchen Stellen sind es sogar zwei, die sich unmittelbar nebeneinander befinden. Um die durch den Archiveinsturz und den Bau der Nord-Süd-U-Bahn arg gebeutelte Severinstraße wiederzubeleben, soll hier Anfang Mai die erste Immobilien und Standortgemeinschaft (ISG) in Köln entstehen. „Wir haben nach wie vor einen hohen Nachholbedarf“, sagt ISG-Vorsitzender Thorsten Fröhlich, der auf der Severinstraße ein Fachgeschäft für Bildeinrahmungen betreibt.
Wir haben einen hohen Nachholbedarf Thorsten Fröhlich, ISG-Vorsitzender
Bei einer ISG handelt es sich im Gegensatz zu eher lose organisierten Interessengemeinschaften um ein gesetzlich festgelegtes Instrument der Stadtentwicklung. Als Vorbild dienen die in Kanada und den USA etablierten Business Improvement Districts. Vor der Einführung werden alle Hauseigentümer innerhalb eines zuvor genau festgelegten Gebiets befragt – wer nicht mitmacht, stimmt automatisch dafür. Wenn nicht mehr als ein Drittel der Befragten wider- spricht, kommt die ISG zustande. Dann muss sich jeder Hauseigentümer an einem ebenfalls vorab errechneten Gesamtbudget beteiligen. Verweigern darf sich niemand. An der Severinstraße sollen über einen Zeitraum von drei Jahren insgesamt 300 000 Euro inves- tiert werden. „Die Eigentümer haben etwas davon, weil der Wert ihrer Immobilien gesteigert wird“, sagt Wolfgang Haensch von der Beratungsgesellschaft Cima, die das Projekt fachlich begleitet.
Die geplanten Maßnahmen stehen bereits jetzt fest. So soll etwa ein Quartiershausmeister beschäftigt werden, der ein Auge auf die Sauberkeit hat. So sollen Missstände wie Graffiti möglichst schnell beseitigt werden. Darüber hinaus soll die Severinstraße begrünt werden, die Beleuchtung der Gebäude soll optimiert werden, und es sollen im Norden und Süden Eingangstore gestaltet werden.
„Wir gehen davon aus, dass sich eine Mehrheit für die ISG entscheiden wird, weil wir in fünf Veranstaltungen dafür geworben und viele Gespräche geführt haben“, zeigt sich Fröhlich zuversichtlich. Auch im Rest der Stadt wird man genau hinschauen, wie es mit der ISG Severinstraße weitergeht. Schließlich wäre das Modell auch eine ideale Blaupause für andere Stadträume, wie etwa die Neusser Straße, die Ringe und die Dürener Straße. In anderen Städten wie Hamburg wird bereits seit vielen Jahren mit diesem Instrument er- folgreich gearbeitet. In Köln gab es 2013 zwar bereits einen ersten Versuch auf der Kalker Hauptstraße, doch dort scheiterte das Vorhaben knapp. 28 Prozent der Hauseigentümer lehnten die ISG ab. Damals galt eine gesetzliche Grenze von 25 Prozent und nicht wie heute von 33 Prozent, um die Einführung des Modells zu verhindern. Nach drei Jahren könnte die ISG auf der Severinstraße verlängert werden. Dann müssten allerdings neue Ziele definiert werden.
KStA 27.03.2017 Tim Attenberger